Endet das Universum in einer Vakuumzerfallsblase?

Liebe Leser,

die moderne Physik wird immer verrückter (oder sind es nur die Physiker?) und anstatt mehr zu verstehen, scheinen wir immer weniger zu verstehen!

Während um 1900 einige Physiker noch glaubten, das Meiste sei schon erforscht, wurden sie kurz danach durch die Entdeckungen von Einstein´s Relativitätstheorie und insbesondere der Quantenmechanik von Max Planck und anderen eines Besseren belehrt. Seither ist der scheinbar dreidimensionale Raum einer vierdimensionalen Raumzeit gewichen. Noch gravierender: Teilchen wie Elektronen haben sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften und zeigen ihre Eigenschaften erst, wenn diese gemessen werden. Dies führt auch zu der weithin bekannten Quantenverschränkung von Teilchen, die Grundlage der Quantencomputer. Unsere Welt ist im Kern "probabilistisch" (im Gegensatz zu den deterministischen Gesetzen der klassischen Physik).

Aber das war nur der Beginn. Um den Kosmos zu verstehen und alle beobachteten Effekte zu erklären, mussten immer abstraktere Konzepte erfunden werden. Die 1988 erstmals beobachtete beschleunigte Ausdehnung des Universums, die dem Effekt der Gravitation zu widersprechen scheint, konnte man nur erklären, indem man eine sog. "Dunkle Energie" mit abstoßender Kraft annahm, aus der 68% der Energiedichte des Kosmos bestehen soll (oder kommt man doch ohne sie aus?)! Gleichzeitig konnten andere Phänomene wie bestimmte Gravitationslinseneffekte und Anomalien in den Rotationskurven von Galaxien und in der Kosmische Hintergrundstrahlung nur erklärt werden, in dem man eine "Dunkle Materie" annahm, die anziehend wirkt und aus der 27% des Kosmos aufgebaut sein soll. Für beide gibt es keine direkten Beweise und doch sollen sie zusammen 95% des Universums ausmachen und die Materie, aus der wir und alle Sterne und Planeten bestehen, sind auf die restlichen 5% reduziert.

Diese 5% an Masse werden, so das Standardmodell der Teilchenphysik, nur erreicht, weil eine weitere hypothetische Komponente, das Higgs-Feld, den Elementarteilchen erst ihre Masse verleiht! Je stärker ein Teilchen mit dem Higgs-Feld interagiert, desto größer seine Masse. Photenen wechselwirken gar nicht mit ihm und sind daher masselos (ohne das Higgs-Feld wäre ALLE Teilchen masselos). Das Higgs-Feld wurde nie direkt beobachtet, aber die Zerfallsprodukte von sog. "Higgs-Bosonen" wurden 2012 (ca. 50 Jahre nach deren Postulierung) im Large Hadron Collider (LHC) im CERN bei Genf nachgewiesen (die Higgs-Bosonen selbst zerfallen schon nach 10-22 Sekunden).

Peter Higgs (1929-2024)
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https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Higgs

Während das Higgs-Feld Masse verleiht, soll die Gravitation durch andere Teilchen, die Gravitonen übertragen werden. Ähnlich wie Photonen die elektromagnetische Kraft übertragen, sollen die ebenfalls masselosen Gravitonen die Gravitation vermitteln im Rahmen der Quantenmechanik. Sie wurden allerdings auch noch nicht nachgewiesen. 2015 wurden zwar "Gravitationswellen" entdeckt - Schwingungen der Raum-Zeit, die mit Gravitonen in Verbindung stehen könnten, aber es gibt auch alternative Modelle wie die Schleifenquantengravitation, die völlig ohne Gravitonen auskommen. Auch die Gravitation unter Einstein, die ja eine Raumzeit-Krümmung ist, kommt ohne quantisierte, übertragende Teilchen aus.

Eine heute weit verbreitetes Theoriengebäude der Teilchenphysik sind die String-Theorien (es gibt 5 verschiedene), wonach Teilchen in Wirklichkeit nicht punktförmig seien, sondern winzige eindimensionale „Strings“ (vom engl. Wort für Saite), die zum Teil "eingerollte" zusätzliche Dimensionen enthalten (insgesamt soll es 10 Dimensionen geben) und die auf verschiedene Weise schwingen können; diese Schwingungen erzeugen dann die unterschiedliche Teilchen (z. B. Quarks oder Photonen). Insbesondere die sog. "Superstringtheorie" gewann an Anziehungskraft, da es möglich erscheint, mit ihr das Standard-Teilchenmodell und die Gravitation zu vereinheitlichen. Superstringtheorie deshalb, weil in dieser Version eine Supersymmetrie vorkommt, mit der die Teilchen besser erklärt werden können (hier weiter ins Detail zu gehen, würde zu weit führen). Seit den 1990ern wird versucht, die Superstringtheorie mit einer (elfdimensionalen) Supergravitationstheorie zu vereinheitlichen, als Teil einer umfassenderen Theorie, auch „M-Theorie“ genannt. Das M steht wahlweise für Membran (eine höherdimensionierte Form der Strings), Matrize oder auch für "Mutter aller Stringtheorien" oder "mystery". Nimmt sich die Physik selbst noch ernst?

So weit so verwirrendgut, aber jetzt wird es erst richtig verrückt!

Aus der Teilchenphysik geht hervor, dass das Higgs-Feld nicht 100%ig stabil ist! Im sehr frühen Universum hatte es sich schon einmal geändert, wodurch die elektroschwache Kraft in den Elektromagnetismus und in die schwache Kernkraft aufgespaltet wurde, auch "elektroschwacher Symmetriebruch" genannt. Dadurch änderten sich die Gesetze der Physik damals dramatisch, denn Teilchen, die bis dahin ungehindert mit Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall flogen, weil masselos, wurden nun durch die Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld abgebremst - die uns heute bekannte Materie mit Protonen und Neutronen entstand! Das Higgs-Feld könnte theoretisch aber auch andere Werte annehmen. Derzeit ist der Wert des Higgs-Feldes stabil und "widersetzt sich" Änderungen, wie in der Talsohle eines Potenzials. D.h. man müsste sehr viel Energie aufwenden, um die Talsohle zu überwinden.

https://www.scientificamerican.com/article/the-end-of-the-universe-could-begin-with-a-quantum-bubble/

Aber was, wenn diese Talsohle kein absolutes Minimum, sondern nur ein lokales ist? Seit den 1970ern spekulieren Physiker, dass das Higgs-Feld sich möglicherweise nicht in seinem "Idealzustand" befindet, sondern quasi gefangen ist in einem metastabilen Übergangszustand, einem "Fake-Vakuum". Und was, wenn das Higgs-Feld, möglicherweise durch Effekte wie Quanten-Tunnelung (oder auch durch extrem energiereiche Ereignisse wie die Verdampfung eines schwarzen Loches) zumindest lokal auf einen niedrigeren, stabileren Wert gehen könnte?

https://www.scientificamerican.com/article/the-end-of-the-universe-could-begin-with-a-quantum-bubble/

Dann, so meinen die Physiker, würde eine "Vakuumzerfallsblase" enstehen, innerhalb derer sich die Teilcheneigenschaften so stark ändern würden, dass Materie aufhören würde zu existieren, genauso wie es im frühen Universum der Fall war. Wenn diese Blase der Zerstörung groß genug wäre, würde sie sich im freien Weltall mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten und letztlich das gesamte Universum, wie wir es kennen, vernichten!

Die zwei guten Nachrichten: Da uns die Zerstörung mit nahezu Lichtgeschwindigkeit erreicht, gäbe es keine Vorwarnung und schmerzvoll wäre es auch nicht. Wir würden von einem Schlag auf den anderen einfach nicht mehr existieren.
Die noch bessere Nachricht aber ist, dass dieses Ereignis extremst unwahrscheinlich ist. 2017 wurden Berechnungen veröffentlicht, wonach die Wahrscheinlichkeit, dass uns eine Vakuumzerfallsblase erreicht, 1:10606 sei, 2024 wurde der Wert dann nochmals auf 1:10868 hinunterkorrigiert.

Aber wie bei vielen Prozessen gibt es möglichweise auch hier Katalysatoren, die die Wahrscheinlichkeit für eine Vakuumzerfallsblase drastisch erhöhen würden. Die Kosmologen vermuten, dass Schwarze Löcher von bestimmter Größe - nicht zu groß, denn solche haben eine zu "glatte" Raumzeitkrümmung und nicht zu winzig, denn die "verdampfen" zu schnell (d.h. gehen in Hawking-Strahlung auf) - durchaus die tödlichen Blasen verursachen könnten. Da man solch kleine Schwarze Löcher (mit dem Gewicht von ca. 100g) kaum detektieren kann, lässt sich auch nicht sagen, wie verbreitet sie in unserem Universum sind. Wenn, dann sind sie früh entstanden (wir kennen heute keine astrophysikalischen Prozesse, die solch kleine Schwarzen Löcher erzeugen). Eventuell machen sie aber einen Teil der Dunklen Materie aus - zur Erinnerung, das sind 27% der Masse unseres Universums! In dem Fall müsste man die Wahrscheinlichkeit wieder nach oben korrigieren.
Aber es gibt noch andere Unbekannte in der Gleichung, z.B. andere, noch unentdeckte, massereiche Teilchen (denn unser Standard-Teilchenmodell ist nicht vollständig).
Letztlich ist unsere Existenz auch ein Hinweis, dass Vakuumzerfall nicht sehr häufig sein kann. Zumindest in den letzten knapp 14 Milliarden Jahren hat sich das Higgs-Feld nicht geändert (zumindest in unserer Region des Kosmos).

Und falls es eines fernen Tages doch dazu kommt, besteht immer noch eine winzige Chance für die Menschheit. Denn der Kosmos selbst expandiert schneller und schneller dank der Dunklen Energie(?) und somit entfernen sich weit entfernte Orte im Universum schneller als mit Lichtgeschwindigkeit voneinander. Wenn sich die Menschheit bis dahin im Kosmos rechtzeitig und weit genug ausgebreitet hat, bestünde daher die Möglichkeit, dass ein Teil davon auch einer mit Lichtgeschwindigkeit heranrasenden Vakuumzerfallsblase entrinnen könnte. So zumindest spekulierte der Physiker Ashoke Sen in einam Essay in 2015. Doch hatte er den an einem 1. April veröffentlicht...

Dazu ist es aber nötig, dass sich die Menschheit nicht vorher selbst umbringt, z.B. durch Atomkriege oder schlimmer noch, Experimente mit selbst erzeugten Schwarzen Löchern. Verrückt genug ist sie!


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MidJourney

Quellen:
https://www.scientificamerican.com/article/the-end-of-the-universe-could-begin-with-a-quantum-bubble/
https://de.wikipedia.org/wiki/Stringtheoriehttps://de.wikipedia.org/wiki/M-Theorie
https://www.derstandard.at/story/3000000202264/ultimativer-untergang-falsches-vakuum-koennte-das-universum-zerstoeren

Lesetipp:
Der Hard-SF Thriller "Vakuum" von Phillip P. Peterson aus , in dem ein spontaner Vakuum-Zerfall geschildert wird und wie die Menschheit versucht, ihm zu entkommen!

Verwandte Posts:
Hat es doch keinen Urknall gegeben?Über Licht, Zeit und Ewigket



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Great and interesting article brother!
Greetings :)

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Je mehr man weiß, desto weniger weiß man, bin gespannt, ob die offenen Fragen, um Dunkle Energie, Dunkle Materie und wie Gravitation auf Teilchenebene genau funktioniert jemals gelöst werden können. Ich denke bevor das Universum in einer Vakuumzerfallsblase oder sonst wie zerfällt, geht wahrscheinlich die freie, nutzbare Energie allmählich zu Ende und es gibt auch Überlegungen, dass die Sternen-Geburtsrate massiv abnimmt und es in ca 10 Milliarden Jahren bereits sehr dunkel im Universum werden könnte, wenn die meisten heute existierenden Sterne ausgebrannt sind.

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Schöner Artikel und eine gute Zusammenfassung des aktuellen Standes und Probleme in der Physik. Ich stelle mir selbst oft die Frage ob die Physik durch eine zu materialistische Weltsicht eingeschränkt ist und dadurch alternative Ansätze vernachlässigt. Bei allen Erfolgen in der Physik sind die bahnbrechnede Durchbrüche nach der ART und Quantentheorie seit über 100 Jahren sehr rar.

Ist möglich, dass das materialistische Weltbild der Physik das Spektrum an Ansätzen einschränkt, indem es immaterielle oder metaphysische Konzepte wie Bewusstsein, Intuition oder Kreativität oder nicht-messbare Prinzipien ausklammert. Dies ist jedoch weniger eine Schwäche als eine bewusste methodische Entscheidung, die auf der Erfolgsgeschichte der Physik basiert. Dennoch könnten alternative Perspektiven – etwa aus der Informationstheorie oder philosophischen Ansätzen – neue Wege eröffnen, insbesondere für ungelöste Probleme wie die Vereinigung von Quantenmechanik und Gravitation oder die Natur von dunkler Materie.

Der Vakuumzerfall, wie du im Artikel beschrieben hast, zeigt, dass die Physik auch innerhalb des materialistischen Rahmens spekulative Szenarien erforscht, aber ein erweiterter Blick könnte helfen, die „Stagnation“ in einigen Bereichen zu überwinden.

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Ich gebe Dir recht, der Materialismus ist eine absichtliche Einschränkung auf die sogenannte wissenschaftliche Methode, die alle metaphysischen Effekte ausklammert. Ob das der Grund für diese Stagnation ist? Möglich, aber was nützt es, wenn man sich befreit und zu spekulieren beginnt, ohne Faktengrundlage? Klar, man kann die tollsten Theorien aufbauen ("ein Meer von Möglichkeiten"), aber die lassen sich dann kaum beweisen. Ein Dilemma.

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Eine sehr Intressante Zusammenfassung. Die Zeigt wenn man eine Antwort hat entsehen meistens wieder neue Fragen. Ich glaube die Menschen werden sich vorher Auslöschen bevor ein solches Ereigniss eintritt, leider

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Universale Chaos-Theorie - Laut der Habeck-Baerbock-Analyse wurde der Vakuumzerfall größtenteils durch das Verbot von Plastikstrohhalmen verlangsamt, sodass der erwartete Schmetterlingseffekt der Chaos-Theorie glücklicherweise im Quantentunnel gestoppt wurde. Eine psychedelische Theorie im alternativen Bogomil-Universum, die von kryptidischen Präparatoren und Quantenphysikern in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Donald Trump University aufgestellt wurde.

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