Die Orestie des Aischylos - Versuch einer Aufführung

Liebe Leser,
letztes Wochenende gab es im antiken Theater in Carnuntum (dem ehem. römischen Militärlager ca. 30km östlich von Wien) eine Vorstellung des griechischen Nationaltheaters. Auf dem Programm stand die einzig vollständig erhaltene griechische Tragödie, die Orestie des Aischylos, in einer denkwürdigen Inszenierung durch die Theaterlegende Theodoros Terzopoulos.
Vor einer Woche hatte das Ensemble die drei Stunden dauernde Trilogie noch im Amphitheater in Epidaurus gespielt (vor 15.000 Zuschauern!). Danach tourt es durch mehrere Länder, unter anderem Österreich. Wir hatten die Karten schon vor Monaten gekauft und waren schon gespannt auf eine griechische Tragödie, in einem antiken Theater gespielt.

Das Stück wurde 458 v. Chr. in Athen uraufgeführt und hatte eine starke politische Botschaft und Wirkung. Anstatt der Individualrache ("Blutrache") propagierte es geordnete Rechtsprechung durch ein Gericht von Bürgern.

Inhalt:
Nach dem Ende des trojanischen Krieges kehrt König Agamemnon, Sohn des Atreus, siegreich zurück, doch seine Frau, Klytaimestra, kann es nicht verwinden, dass ihr Gatte ihre älteste Tochter Iphigenie geopfert hatte, um die griechische Flotte nach Troja zu führen und tötet ihn dafür (und auch Kassandra, die Tochter des trojanischen Königs Priamos, die Agamemnon als "Kriegsbeute" mitgenommen hatte). Daraufhin tötet Agamemnon´s Sohn Orestas seine eigene Mutter (Orestas: "Du erschlugst, den du nicht solltest; gleiches dulde nun.") mitsamt ihrem Liebhaber, den Thronräuber Aigisthos. Er wird darauf von den Erinyen (Rachegöttinen, quasi personifizierte Gewissensbisse, lat. Furien (furios kommt davon)) verfolgt, um ihn in die Raserei zu treiben. Er hat aber Apollo als Fürsprecher. Göttin Athene schließlich erwirkt ein Gerichtsverfahren und spricht ihn bei Stimmengleichheit frei. Die Kette von Gewalt und Gegengewalt ist somit durchbrochen und aus den Erinyen werden die Eumeniden (die Wohlmeinenden), nachdem sie ihre Rache und ihren Haß abgelegt haben.

Das waren ein paar der Szenen, wie sie auf der Homepage des Veranstalters "Art Carnuntum" gepostet wurden, visuell also durchwegs vielversprechend:
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https://www.artcarnuntum.com/product/orestie/

Leider kam es völlig anders. An dem Tag begann es gegen 18h zu regnen. Wir fuhren dennoch los, weil es kein Email über eine Absage oder Vertagung des Events gegeben hatte. Auf der Fahrt hin wurde der Regen aber noch stärker und, skeptisch geworden, riefen wir beim Veranstalter an, der uns die Auskunft gab, der Veranstaltungsort sei auf die nahegelegene "Kulturfabrik" in Hainburg abgeändert worden.
Mit einer Verspätung von 1,5 Stunden wurden wir endlich eingelassen. Für die Verspätung hatte ich jedes Verständnis, ist es doch sicher nicht leicht, die Requisiten, Aufbauten, Technik, etc. in letzter Sekunde umzuändern. Was uns aber erwartete, war unglaublich.
Ein ebener Saal mit einer Bühne so klein, dass jeder Mittelschulfestsaal eine größere hat, und noch dazu mit Säulen verstellt! Bizarr und für ein Stück, in dem ein Chor aus 21 Personen eine tragende Rolle spielt, völlig ungeeignet! Obwohl wir in der 5. Reihe, also ziemlich weit vorne saßen, konnten wir dem Geschehen über weite Strecken nicht folgen, fand doch viel davon am Boden statt (siehe voriges Bild) - gemäß der Erwartung eines Amphitheaters, das dies durch die ansteigenden Zuschauersitzreihen erlaubt.

Statt auf einem symbolisierten Olymp mussten die Götter Athene und Apollo auf einem kleinen "Stockerl" hinten in der Bühne und schlecht ausgeleuchtet, ihr Dasein fristen. Von der katastrophalen Beleuchtung will ich gar nicht erst anfangen. Kassandra hörte man die ersten 10 Minuten nur, erst als sie aufstand, konnte man sie sehen. Zum Glück gab es Untertitel (die Aufführungssprache war neugriechisch), sonst hätte ich die drei Stunden (ohne Pause!) nicht durchgehalten.

Hier ein paar "Eindrücke":

Agamemnon. Der am Boden liegende Chor ist mehr zu erahnen als zu sehen.
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Anstatt einen roten Spot zu verwenden o.ä., wurde die Bühne manchmal komplett in ein rotes Licht getaucht; hier eine Szene mit Kassandra, die ihren eigenen Tod voraussieht.
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Klytaimestra spottend über Kassandra, nachdem sie sie getötet hat (Kassandrs natürlich nicht zu sehen, da am Boden liegend).
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Orestas mit seiner Schwester Elektra, hadernd, ob er seine Mutter töten soll oder nicht.
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Orestas, gepeinigt von den Erinyen, im Hintergrund die Göttin Athene, die diese zu beschwichtigen versucht.
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Auch für die Schauspieler muss dies sicher nicht einfach gewesen sein, auf so einer Kinderbühne und ohne jegliche Lichtdramatik zu spielen. Man merkte aber, wie sehr sie sich Mühe gaben trotz der Widrigkeiten.
Dennoch, es wäre eventuell besser gewesen, das Stück abzusagen (und den Ticketpreis von immerhin 45€ zu erstatten).

Der Redakteur des STANDARDs hatte das Stück noch am Vortag in Carnuntum gesehen (es gab insg. 2 Aufführungen), die Kritik ist hier zu lesen. Dort war es aber durch einsetzende Regenfälle unterbrochen und verkürzt worden - der Auftritt von Athene war nicht mehr möglich. Aber immer noch besser also dieses unwürdige Schauspiel vom Samstag.

Quellen:
https://www.artcarnuntum.com/product/orestie/
https://de.wikipedia.org/wiki/Orestie



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Das ist wirklich schade, eine Absage wäre sicher das Beste gewesen, für alle. Die Schauspieltruppe war sicherlich auch ziemlich enttäuscht, gerade weil die Fotos der Inszenierung auch sehr vielversprechend waren. Aber gegen das Wetter kann man bei sowas auch nicht viel machen. Ware wenigstens die Akustik einigermaßen aushaltbar?

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Drei Stunden "postdramatische Ästhetik" einer Inszenierung die v.a auch durch die Imposanz einer Stätte wie Epidaurus wirkt - auf einer Mini-Bühne! Mein Beileid!

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I think the performance was affected by the weather and space constraints, but the play you wrote and the effort of the actors were actually very good. Best wishes to you always.

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While I don't know German, I think the article is about theater plan and by the looks of it is pretty engaging. This opened my appetite for more creative and art, just to brighten my day.

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You can use the translation feature of peakd!

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Awesome, I didn't know about that feature, so thanks for pointing it out! 👍

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Märchenversion von der peakd-AI:

Eines Tages, in einem kleinen Dorf nahe dem fabelhaften Theater von Carnuntum, sollte die Geschichte der Orestie erneut zum Leben erweckt werden. Ein mutiger Theaterzauberer namens Theodoros Terzopoulos beschloss, die Tragödie auf die Bühne zu bringen, um den Menschen die Bedeutung von Gerechtigkeit und Vergebung näherzubringen. Viele Dorfbewohner, darunter auch ein neugieriges Paar, kauften ihre Tickets und machten sich auf den Weg.

Doch als der Tag der Vorstellung kam, regnete es in Strömen, und die Wolken hingen schwer am Himmel. Trotz des unglücklichen Wetters machten sich die Zuschauer auf den Weg, in der Hoffnung, die Magie der alten Götter zu erleben. Doch die Wendung des Schicksals war grausam; die Vorstellung fand nicht im prächtigen Amphitheater statt, sondern in einer kleinen Kulturfabrik, wo die Bühne klein und die Sicht versperrt war.

Die Darsteller, die trotz der widrigen Umstände ihr Bestes gaben, wurden von der Dunkelheit und der Enge der Bühne bedrängt. Die Götter, die einst auf dem Olymp schwebten, waren in der Ecke gefangen, und die Stimmen waren kaum zu hören. Das Publikum, das auf die Worte der Tragödie gewartet hatte, konnte nur erahnen, was geschah.

So lehrte die Geschichte, dass die Bühne der Kunst, so klein sie auch sein mag, immer das Potenzial hat, die Herzen der Menschen zu berühren. Doch auch der Zauber des Theaters kann von der Realität übermannt werden. Und so lehrte das Märchen von Orestas und den Göttern, dass in der Dunkelheit der Verzweiflung der Lichtstrahl der Hoffnung immer auf einen neuen Anfang hindeutet, auch wenn der Weg dorthin steinig und voller Herausforderungen ist.

Und so lebten die Dorfbewohner, bereichert durch diese Erfahrung, stets mit dem Wissen, dass selbst in der größten Dunkelheit der Funke der Hoffnung leuchtet.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

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